Bleiben Sie neugierig (B00EW961T4) by Vince Ebert
Autor:Vince Ebert [Ebert, Vince]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644509917
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2013-10-01T04:00:00+00:00
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Ist die Teflonpfanne ein Abfallprodukt der Raumfahrt?
Annegret S. (58) aus Nürnberg
1938 war eine echte Sternstunde der Wissenschaft. Man entwickelte das LSD, den Kugelschreiber und den Fotokopierer. Die spektakulärste Erfindung aber war eine chemische Verbindung, die den eher unspektakulären Namen «Polytetrafluorethylen» trug, im Volksmund auch «Teflon» genannt.
Obwohl man Teflon inzwischen in praktisch jedem Haushalt finden kann, ist es eigentlich der Autist unter den chemischen Verbindungen. Ein ungeselliges Polymer, das jede Dauerfreundschaft mit wem oder was auch immer ablehnt. Aber dazu später mehr.
Entdeckt wurde der chemische Eigenbrötler durch reinen Zufall: Am 6. April 1938 (es war ein Mittwochmorgen, falls Sie es genau wissen wollen) öffnete Roy Plunkett, der bei DuPont als Chemiker beschäftigt war, eine Stahlflasche mit dem Gas Tetraflourethylen. Ursprünglich wollte der 27-Jährige das Gas mit Salzsäure verbinden, um so ein neues Kältemittel herzustellen. Aber es kam anders. Durch ein Missgeschick strömte ein Großteil des Gases aus, und ein kleiner, unscheinbarer Rest blieb zurück. Und zwar in Form eines eigenartigen, weißen Pulvers. Offenbar hatte sich das Tetrafluorethylen durch eine selbständige chemische Reaktion, eine Polymerisation, in Polytetrafluorethylen umgewandelt.
Im ersten Moment war Plunkett genervt, denn Tetraflourethylen ist ziemlich teuer. Und außerdem sind Wissenschaftler immer genervt, wenn Versuche nicht genau so ablaufen, wie sie eigentlich ablaufen sollen. Weil der Mittwochmorgen eh schon versaut war, begann Plunkett, das weiße Pulver näher zu untersuchen. Seine Analysen zeigten, dass der Stoff aus Ketten von je 100000 Kohlenstoffatomen bestand, jedes davon zusätzlich mit zwei Fluoratomen verknüpft. Und weil Plunkett so richtig in Fahrt war, schmiss er es in sämtliche chemische Lösungen, die er im Labor finden konnte. Doch das merkwürdige Pulver zeigte sich davon komplett unbeeindruckt. Selbst Königswasser – ein teuflisches Gemisch aus Salz- und Salpetersäure – konnte dem Fluorpolymer nichts anhaben.
Was aber tut man mit einem Stoff, der sich für rein gar nichts interessiert? Das fragte sich auch die Geschäftsleitung von DuPont, lächelte süßsauer und verbannte das Pulver ins Firmenarchiv. Dort dümpelte es dann einsam und verlassen mehrere Jahre vor sich hin. Was nicht schlimm war, denn Polytetrafluorethylen legt ja, wie erwähnt, sowieso keinen großen Wert auf Gesellschaft.
Erst 1943 erinnerte man sich wieder an den chemischen Sonderling. Zu dieser Zeit experimentierten die Väter der Atombombe mit Uranhexaflourid. Ein extrem unfreundlicher, aggressiver Stoff, der alle Behälter und Leitungen, mit denen er in Berührung kam, innerhalb kürzester Zeit zerstört. Nun schlug die große Stunde des Teflons. Man holte es aus dem Keller, beschichtete damit die Rohrleitungen, und die Arbeiten am «Manhattan-Projekt» konnten weitergehen. Traurig, aber wahr: Ohne die Erfindung des Teflons wären höchstwahrscheinlich Hiroshima und Nagasaki nie zerstört worden.
Und mit dieser Geschichte ist gleichzeitig auch ein großer Mythos rund um die Teflonpfanne zerstört, denn viele Menschen sind der festen Überzeugung, Teflon sei ein Abfallprodukt aus der Raumforschung. Am 20. Juli 1969 hinterließ Neil Armstrong seine berühmten Schuhabdrücke auf dem Mond: «Ein großer Schritt für die Menschheit und ein noch größerer für die Bratpfanne!» Doch das ist – wie Sie jetzt wissen – falsch.
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